Die kontroverse Debatte um die Reform des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes reißt kurz vor der Landtagswahl nicht ab. Während die bayerische Landesregierung dem breiten Widerstand gegen das PAG seit Monaten „Lügenpropaganda“ vorwirft, steht sie selbst in der Kritik Lügen über das neue Gesetz zu verbreiten: Ein bisher wenig thematisierter Fall der Anwendung des neuen PAG in Schweinfurt zeigt, dass die CSU Fehlinformationen verbreitet in der brisanten Frage, ob Menschen aufgrund des PAG wochen- oder sogar monatelang inhaftiert werden können, ohne verpflichtend einen Rechtsanwalt zur Seite zu haben.
Das wird an einem konkreten Fall offenbar: Im Juni wurden in einer Geflüchtetenunterkunft in Schweinfurt mehrere Personen als „Gefährder“ nach dem neuen PAG in Gewahrsam genommen. Die Befürchtungen des Bündnisses noPAG und anderer Kritiker haben sich dabei bewahrheitet: Menschen die aufgrund des neuen PAG in Gewahrsam genommen werden, können sich nicht darauf verlassen von einem Anwalt vertreten zu werden. Das im oben genannten Fall zuständige Amtsgericht Schweinfurt begründet dies mit Bezug auf das PAG: „Die Vorschriften des Artikel 17 fortfolgende im Polizeiaufgabengesetz sehen nicht vor, dass seitens des Gerichts ein anwaltlicher Vertreter beigeordnet werden muss.“ In ihrer Öffentlichkeitsarbeit behauptet die Landesregierung trotzdem weiterhin, dass Betroffene „grundsätzlich entweder auf Antrag oder von Amts wegen einen Rechtsanwalt zur Seite“ gestellt bekommen.
Pressesprecher des noPAG-Bündnisses Fred Heussner sagt hierzu: „Dass das neue PAG derartig krasse Eingriffe in elementare Bürger- und Menschenrechte beinhaltet, ist dramatisch genug. Wenn die Regierung dann auch noch darüber lügt, wird offenbar wie weit die antidemokratische Entwicklung der CSU vorangeschritten ist. In Bayern regiert eine Partei die Grundrechte schleift, Kritiker zu Unrecht diffamiert, und sogar über elementare Prinzipien des Rechtsstaates Unwahrheiten verbreitet. Sie muss dringend abgewählt werden.“ Seine Kollegin, Pressesprecherin Laura Pöhler, fordert: „Noch-Innenminister Herrmann sollte sich bei den zigtausenden Demonstranten entschuldigen. Nicht die Kritiker haben Lügenpropaganda und eine Desinformationskampagne betrieben, sondern er und die CSU im Landtag.“